Es ist passiert. Man war sich einig. Alle. Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung! Um was es ging? Den Brandgutachter, Herrn Sebastian Herrgesell.
Die Vorgeschichte: Herr Herrgesell wurde als „Sachverständiger für Brände“ kurz vor knapp von der Generalstaatsanwaltschaft beauftragt, noch vor Anklageerhebung ein Brandgutachten zu den vermuteten „Anschlagszielen“ zu erstellen. Das von ihm erstellte Gutachten passte genau zur Hypothese des LKA 7 und stützte die Anklage in allen Punkten.
Im Laufe des Verfahrens wurde jedoch klar, dass Herrgesell nicht das „Idealbild“ eines neutralen Sachverständigen verkörpert. Denn auf seiner privaten Facebookseite wurde nicht nur gegen alles, was er als links einkategorisiert, gehetzt, sondern es wurde auch die Autorität des Gerichts in Frage gestellt. Neben Posts, wie man sie von Neonazis kennt, fand sich unter einem seiner Posts, in dem er eine zu geringe Strafe in einem Prozess „bemängelte“, ein Kommentar, dass man nicht nur den dort Verurteilten, sondern gleich auch den Richter steinigen solle. Und naja, dafür gab es ein „Like“ von Herrgesell. Die Verteidigung lehnte den Gutachter also als befangen ab. Daher bekam Herrgesell von der Kammer bis Freitag, den 7. August, Zeit, eine Stellungnahme zu verfassen. In der anschließenden Stellungnahme fabulierte er etwas davon, dass „Jemand sich in seine Seite eingehackt hätte, während er sie nicht mehr genutzt habe“ und er nicht wisse, „wie diese Posts dahin kämen“. Zu den eigentlichen Inhalten verhielt er sich aber nicht. Und das führte letztendlich zu der unverhofften Einigkeit im Gerichtssaal. Da war sich sogar die Generalstaatsanwaltschaft sicher, dass ein Herr Herrgesell nicht der richtige für diesen Job ist und er wurde einhellig als Gutachter abgelehnt. Das von ihm erstellte Gutachten kann damit im Prozess nicht mehr verwendet werden. Ob ein neues Gutachten eingeholt wird, ist noch nicht klar.
Im Übrigen wird Herrgesell regelmäßig von Gerichten mit der Erstellung von Gutachten in Gerichtsprozessen beauftragt. Sein Facebookprofil wurde an dem Tag, an dem das Thema im Verfahren auf den Tisch kam, gelöscht.
Da mit Wegfall des Gutachtens noch mehr Punkte der Anklage auf wackeligen Beinen stehen, bestanden die Anwält/innen darauf, über die Frage der Haft und deren Verhältnismäßigkeit zu sprechen. Das Gericht versuchte diese Diskussion mit dem Hinweis auf das Wetter zu umgehen. Es sei so heiß, da würde das Denken etwas langsamer gehen und daher habe man diese Frage noch nicht zu Ende diskutiert. Nach der kurzen Einigkeit folgte wieder ein gewohnter langer Streit, an dessen Ende stand, dass das Gericht sich zur Zeit dazu noch nicht äußern möchte und die Generalstaatsanwaltschaft gegen eine Haftverschonung sofort in Beschwerde gehen würde. Alles beim Alten also…
In den folgenden Tagen plätscherte der Prozess wieder vor sich hin. Es wurden Lichtbilder angesehen und Herr Ali von der Tankstelle war als Zeuge geladen. In dem Zeitraum, den die Anklage betrifft, war er im Urlaub. Auch an einen Anruf vom LKA 7, der zuvor schon einmal Thema war, konnte er sich nicht erinnern. Dafür konnte er anhand von Lichtbildern der Zapfsäulen seine Tankstelle identifizieren.
Außerdem wurden Lichtbilder der beiden Hausdurchsuchungen angeschaut und die Bildunterschriften vorgelesen. Dem Beweis- und Verwertungswiderspruch der RA/innen wurde im Bezug auf die Verwertung stattgegeben. Die Bilder sind in der Akte nur in schwarz/weiß mit der Notiz, unbearbeitet zu sein. Vierecke und Kreise um Inhalte auf Bildern macht die Kamera wohl automatisch!? Wie erwartet sieht die Kammer die Fehler in der Beweisführung seitens der Cops eher dem Zufall geschuldet und behandelt diese auch so.
Zu guter Letzt war noch Frau Koch, eine der Geschäftsführerinnen der Regionalleitung Nord von Vonovia, als Zeugin da. Sie hatte einen riesigen Stapel Zettel mit Infos dabei, die sie von verschiedenen Mitarbeiter*innen zusammengetragen hatte. Blöd nur, dass es um ihre eigenen Wahrnehmungen gehen sollte. Davon hatte sie gar nicht so viele, da sie eigentlich nur im Büro sitzt. Sie konnte nur berichten, dass die Mitarbeiter*innen die Autos dort parken, wo es ihnen gerade passt, sie diese sogar mit nach Hause nehmen, aber nicht privat nutzen dürfen. Spannend war außerdem, dass sie sich so ihre Gedanken gemacht hat, dass andere Filialen viel geeigneter für einen „Anschlag“ wären, da diese versteckter liegen würden etc. Diese Gedanken habe sie sich gemacht, da „dieses Problem“ ja nicht nur in Hamburg, sondern auch in vielen anderen Städten existiere.
Am Ende ging es um den Wert der Autos. Auch dazu konnte sie nichts sagen. Die Autos gehören nicht Vonovia, sondern werden geleast. Was das so kostet, wusste sie nicht.
Der Tag endete bereits am Mittag, der darauf folgende Donnerstag ist ausgefallen.
Weiter geht‘s am Dienstag, den 25.08.2020 um 09:00 Uhr.