02.03.2020 – 17. Prozesstag – ein Staatsanwalt geht seinen Weg: „Ob rechtmäßig oder nicht, das ist doch ganz egal“

Heute findet anscheinend kein Rocker-Prozess statt, und unsere Freund_innen und wir sitzen uns wieder im großen Verhandlungssaal die Hintern platt. Schon in der Schule scheint man uns für diese Form der Zeitverschwendung zu disziplinieren: stillsitzen, sich irgendeinen Scheiß reinziehen, und angeblichen Autoritäten den „gebührenden Respekt“ erweisen… Schon damals haben wir es gehasst.    

Die vorsitzende Richterin, die gemeinhin nur in ihrer Rolle „Frau Vorsitzende“ adressiert wird, aber durchaus einen Namen hat: Paust-Schlote, eröffnet mit ihrem Beschluss, dass die Entlassung des Bullen Pahls aus dem Zeugenstand am vergangenen Verhandlungstag rechtmäßig sei.

Die Verteidigung nimmt auch nochmals Bezug auf den vergangenen Freitag und zweifelt die Stichhaltigkeit der Aussagen Pahls an. So fänden sich in seiner Strafanzeige z.B. nur zwei Beschuldigte und die Erklärung Pahls, es habe im Formular lediglich Platz für 2 Beschuldigte gegeben, scheint nicht wirklich überzeugend. Die Verteidigung gibt eine ergänzende Erklärung gegen die Verwendung sämtlicher Angaben Pahls ab. Außerdem sei eine Gefahrenabwehr durch Identitätsfeststellung nicht gegeben.

Die Richterin findet es jedoch zunächst dringender, einen der Anwalts-Referendare darauf hinzuweisen, dass er kein Verfahrensbeteiligter sei und darum seinen Laptop, auf dem er protokolliert, herausbringen müsse. Ja, ebenso wie in der Schule funktioniert er auch hier, der Autoritäts-Hammer, der ab und zu ausgepackt werden muss, damit klar ist, wer im Raum das Sagen hat.

Die Verteidigung legt einen Verwertungswiderspruch bezüglich der Durchsuchung, der unsere Freund_innen bei ihrer Festnahme unterzogen wurden, ein.

Irgendwie entbrennt nun ein Streit zwischen Verteidigung und Richterin und Staatsanwaltschaft, indem es vorallem darum zu gehen scheint, dass die Anträge der Anwält_innen nicht vollständig (mit Ausführungen und Begründungen) Teil des Protokolls sind. Die Verteidigung beanstandet diesen Umstand und Schakau sieht sich veranlasst, einem der Anwälte vorzuwerfen, er „veranstalte ein Kasperle-Theater“. Die Richterin derweil ordnet das Weiterführen der Beweisaufnahme an; als nächstes solle Zeuge Siebensohn vernommen werden.

Im weiteren liegen sich Schakau (der mal wieder – wie des öfteren in letzter Zeit – ganz allein auf dem Staatsanwaltsbänklein sitzen muss und ohne seinen Kumpel Bornemann weitaus geschwächter erscheint) und die Verteidigung in den Haaren, ob die erfolgte Observation denn nun rechtmäßig gewesen sei oder nicht. Schakau hat wie immer super Spekulations-Argumente, mit denen er sogar die doch von ihm angeblich zu behütende Rechtsstaatlichkeit außer Kraft zu setzen versucht: die angenommene Straftat rechtfertige eine Observation, egal ob diese rechtswidrig sei…

Interessant.

Die Verteidigung bringt diverse Argumente gegen Schakaus Rechtsverständnis hervor und sagt, die Observation sei „sehenden Auges rechts- und verfassungswidrig“ gewesen. Darum beantragt die Verteidigung die Aussetzung des Verfahrens um die Frage ans BVG weiterzugeben. Denn die heimlichen Observationen durch Bildaufnahmen, Video, GPS, Überwachung der Wohnanschrift, des LIZ und Infoladen Schwarzmarkt wurden nur durch den Bullenpräsidenten Meyer angeordnet, durch Siebensohn verlängert, aber niemals für irgendwas eine richterliche Anordnung eingeholt. Die Anwält_innen beziehen sich dabei auf einen Urteil des BVGs von 2016, in dem dieses festgestellt habe, dass längere Observationen ohne Richtervorbehalt verfassungswidrig seien. So sei die im Kontext dieses Verfahrens erfolgte Observation auch verfassungswidrig, da sie länger – 8 Monate – lang andauerte und zudem technische Hilfsmittel eingesetzt wurden, wodurch ein tiefreichender Eingriff in die Privatsphäre des betroffenen Gefährten erfolgt sei. All das ohne richterliche Anordnung.

Schakau ist gewillt, sich davon unbeeindruckt zu zeigen: selbst wenn es ein Verwertungsverbot bzgl. der Observation gebe, so seien die Durchsuchungsmaßnahmen davon nicht betroffen. Schakau liebt es zu mutmaßen und zu spekulieren: „Eine Verurteilung der Angeklagten aufgrund der Durchsuchung (ohne Observation) ist möglich, aus Sicht der Oberstaatsanwaltschaft sogar wahrscheinlich – selbst wenn man der Annahme folgt, die Observation sei rechtswidrig gewesen. Was ich ausdrücklich nicht tue.“

Die Richterin fügt ein paar Angaben bzgl Pahl ins Protokoll und lehnt dann kurzerhand den Verwertungswiderspruch der Verteidigung bezüglich der Angaben Pahls ab.

Verteidigung und Richterin streiten ein bißchen weiter darüber, was genau ins Protokoll genommen wird und was nicht. Die Verteidigung will gerne eine Vollständigkeit der Protokollierung erwirken, damit die „Angriffsrichtung“ später nachvollziehbar sei.

Schakau stellt noch geschwind einen Antrag darauf, dass die „ergänzende Einführung“ der Beweismittel durch Pahl zulässig sei.

Siebensohn wird heute nicht mehr vernommen und so endet ein weiterer Prozesstag mit dem Abschiedswinken an unsere Gefährt_innen, einem Salat von Paragrafen und Rechtsstreitigkeiten im Kopf und dem Gefühl, dass hier vorallem eines passiert: Zeit absitzen.

Nächster Prozesstag Dienstag, 3.3., 12 – 13 Uhr.