Die vorsitzende Richterin beginnt den Verhandlungstag mit der Anordnung, dass die beiden Leitz-Ordner, die dem Gericht in der vergangenen Woche vom LKA7 geschickt worden waren, der Verfahrensakte beigefügt werden. Zwischenzeitlich waren diese Ordner am Freitag von Kammer, GenStA und Verteidigung eingesehen worden.
Sodann teilt die vorsitzende Richterin den Anwesenden mit, dass sie nach dem letzten Verhandlungstag die Bänke des Zuschauer*innenraums in Augenschein genommen habe und dort mutmaßlich „frische Sachbeschädigungen mit Verfahrensbezug“ gesehen habe. Konkret geht es dabei um Slogans wie „Parkbank III“ und „ACAB“, die in das Holz geritzt worden sein sollen und die vorsitzende Richterin über die Notwendigkeit einer Erweiterung der Sicherheitskontrollen nachdenken ließ. Diesem Ball springt die GenStA freudig nach und beantragt eine Identitätsfeststellung der Prozessbesucher*innen bei Einlass ins Landgericht. Inwiefern diese Maßnahme geeignet ist um die Verzierung der ollen Holzbänke zu unterbinden lässt Oberstaatsanwalt Schakau offen, blökt dafür was von „fehlendem Unrechtsbewusstsein“ im Zuschauer*innenraum, von dem die Einritzungen angeblich zeugen. Wie es um sein eigenes Bewusstsein von Recht und Unrecht bestellt ist, wird er im Laufe des Verhandlungstages wiedereinmal offenbaren, in dem er über eindeutige Rechtswidrigkeiten in der Verfahrensordnung hinweg zu gehen versucht, als handele es sich um Belanglosigkeiten.
Die vorsitzende Richterin verliest ihre Entscheidung über die Ablehnung des Antrags auf Einsicht in die Originalakte. Sie begründet diese Entscheidung damit, dass der Verteidigung mit der Einsichtnahme in die zwei nachgelieferten Aktenordner genüge getan sei, es keine Hinweise auf Abweichungen zwischen den Versionen der Akte oder weiteres Material gebe und eine Erweiterung des Aktenbestands ohnehin unzulässig sei. In der Folge lehnt sie sowohl einen Antrag der Verteidigung auf Verfahrensunterbrechung zwecks Erläuterung der Entscheidung gegenüber den drei Angeklagten ab, als auch die Beanstandung ihrer Entscheidung, die sich im wesentlichen darauf begründet, dass es sehr wohl Hinweise für Abweichungen und Unvollständigkeiten in den Akten gibt. Im Zuge der Abfolge von gestellten Anträgen und Entscheidungen der vorsitzenden Richterin sieht sich die Verteidigung wieder dazu genötigt klarzustellen, dass es nicht ihr Insistieren auf ein rechtmäßiges Verfahren ist, das den Prozess in die Länge zieht, sondern in erster Linie die schlampige Arbeit der GenStA verantwortlich dafür ist, dass die Akten derart geprüft werden müssen. Oberstaatsanwalt Schakau, inzwischen zwar für seine mangelnde Selbstkontrolle bekannt, schafft es dennoch die Anwesenden mit lautem Hohngelächter zu überraschen.
Schlussendlich wird die Anordnung der Fortsetzung des Verfahrens bestätigt und Zeuge Nr. 2, jener Mitarbeiter des LKA7, der mit der Auswertung von Videomaterial beauftragt war, wird erneut zu den Umständen befragt, die zu der eigenständigen Vervielfältigung von Teilen der Akte geführt haben. Der Zeuge zeigt sich unwillig oder unfähig die Fragen der Verteidigung befriedigend zu beantworten, schafft es aber immerhin mit sich vervielfältigenden Erinnerungslücken für einen gewissen Unterhaltungswert zu sorgen. In Bezug auf ein (schriftlich dokumentiertes) Telefonat mit dem Gericht gibt er an, sich an die Aussage, er könne sich nicht erinnern, nicht erinnern zu können.
Nächster Prozesstag 06.02.2020