16.01.2019 – 2. Prozesstag – (De)eskalation

Der Beginn des zweiten Tages ist, wie der erste, auf 13:00 Uhr festgesetzt. Wegen der Einlasskontrollen und den vielen Unterstützer*innen beginnt die Verhandlung aber wieder mit Verspätung. Der Einlass war im Internet auf der Gerichtswebsite zuvor immer noch eine Stunde vor Beginn angekündigt, was zeitlich nicht ausreichte, damit sich alle Anwesenden rechtzeitig im Saal einfinden konnten

Ab jetzt wird die Tür zwei Stunden vor Beginn geöffnet, damit es pünktlich losgehen kann.

Als unsere Angeklagten Freunde hereinkamen, gab es wieder jede Menge Jubel. Dann wurde bekanntgegeben, dass das Oberlandesgericht den Antrag auf die Beiordnung der zweiten Pflichtverteidung zurückgewiesen hat. Das Landgericht, vor dem die Verhandlung stattfindet, hatte die Beiordnung davor aufgrund der Größe des Prozesses genehmigt, wogegen die Staatsanwaltschaft in Beschwerde gegangen war.

Das bedeutet, dass die Kosten für den zweiten Rechtsbeistand der Verteidigung, nun von Seiten der Angeklagten getragen werden muss.

Da die Angeklagten diesen Beschluss noch nicht erhalten hatten, wurde die Verhandlung für eine Stunde zur Besprechung unterbrochen. Danach erklärten die zweiten Verteidiger*innen, erst einmal als Wahlverteidigung weiter am Prozess teilzunehmen.

Damit ist aber nicht geklärt ist, ob die Verteidigung mit jeweils zwei Anwält*innen in Zukunft so fortgesetzt werden kann.

Aus dem Publikum gab es derweil immer wieder Zwischenrufe. Insbesondere, als ein Wärter einen der Angeklagten berührte, rief das Empörung hervor und Rufe „Fass den nicht an!“ wurden laut. Die Generalstaatsanwaltschaft (GStA) wollte deshalb, dass das Gericht hiergegen Maßnahmen ergreift. Bisher ist die vorsitzende Richterin weder auf das Nicht-Aufstehen des Publikums noch auf Zwischenrufe eingegangen, wie es sonst so oft der Fall ist. Die Verteidiger*innen entgegneten, dass es hier auch um Deeskalation gehe, worauf der Generalstaatsanwalt Schakau sagte: „Das ist genau die Deeskalation, die dazu geführt hat, dass hier immer mehr extremistische Straftaten begangen werden.“ Um diese Aussage des Generalstaatsanwalts festzuhalten, beantragte die Verteidigung daraufhin, jenen Satz wortwörtlich in das Protokoll der Hauptverhandlung aufzunehmen. Die Verteidigung führte dazu aus, dass der GstA Schaukau das Verfahren eskalieren will und die Aussage zeige, dass die Verfahrensführung der Generalstaatsanwaltschaft bisher insgesamt diese Tendenz gehabt habe. Das Gericht will über den Antrag am nächsten Verhandlungstag entscheiden.

Über ihr Recht auf Aussageverweigerung belehrt, verweigern unsere Angeklagten Freund*in und Gefährt*in jegliche Aussage.

Als nächstes stellte die Verteidigung einen Antrag darauf, festzustellen, ob sich prozessbeobachtende Beamten der Bullen oder anderer Behörden unter den Zuschauenden befinden. In vergangenen Prozessen mit G20-Bezug wurden Cops des PK21 in Zivil zur Prozessbeobachtung geschickt, um darüber zu berichten und den Prozess so zu beeinflussen. Die Rechtsanwält*innen führten dazu aus, dass die Bullen angesichts der Presseveröffentlichungen, sowie der schon im Ermittlungsverfahren an den Tag gelegten Missachtung gerichtlicher Entscheidungen ein großes Interesse daran haben müsste, auch das gerichtliche Verfahren zu ihrem gewollten Ergebnis zu beeinflussen. Daher müsse das Gericht die mögliche Anwesenheit solcher Beobachter*innen überprüfen und gegebenenfalls unterbinden. Die Generalstaatsanwälte sahen das natürlich anders und argumentierten dagegen, u.a. damit das es Beweise braucht und solange die es nicht da sind, gibt es keinen Anlass zu der Prüfung. Auch über diesen Antrag wird das Gericht erst am nächsten Verhandlungstag entscheiden.

Zum Schluss drängte die GStA noch darauf, dass das Gericht einen Teil der Akte in ein Selbstleseverfahren gibt. Das bedeutet, dass jene Teile der Akte von den Beteiligten des Verfahrens selbst gelesen werden müssen, als bekannt vorausgesetzt werden und nicht mehr in der Verhandlung „vorgelesen“ werden. Die Zuschauer*innen wissen dann also nicht mehr unbedingt, über was geredet wird und das Folgen des Prozessverlaufs wird so erschwert. Das Gericht teilte dazu mit, dass dieses Verfahren für Teile der Akte schon geprüft wird.

Damit endet der zweite Prozesstag gegen kurz vor 15:00 Uhr.

Der Tag war ins gesamt geprägt von einem Schlagabtausch zwischen Verteidigung und Generalstaatsanwaltschaft. Die GStA, vor allem Herr Schakau, war maßgeblich präsent in dem er sich von den Anträgen der Verteidigung persönlich Angegriffen fühlte. Ohne sich zwei Minuten Zeit zu nehmen auch nur über einen Antrag in Ruhe nachzudenken, wirkte es so als ob er der Rechtsstaat ist, der Verteidigt werden muss. Dabei verhaspelte er sich, wurde plump und Inhaltlich völlig diffus. GSta Bornemann hat sein Bestes gegeben und ist mächtig für seinen Kollegen eingesprungen. Was extremistisch ist und was nicht erfuhr an diesem Tag nochmal eine ganz neue Weite. 😉

Nächster Prozesstag am 17.01.2020